Schifffahrt: Geschichte

Schifffahrt: Geschichte
Schifffahrt: Geschichte
 
Die Geschichte der Schifffahrt reicht wahrscheinlich zurück bis ins Jungpaläolithikum. Seetüchtige Schiffe muss es bereits vor ungefähr 40 000 Jahren gegeben haben, denn nur so konnten die Menschen damals den Pazifik überqueren, um die Philippinen, Japan, Mikronesien, Melanesien und Polynesien zu besiedeln. Ein steinzeitliches Kanu aus Kiefernholz (8000 bis 7000 Jahre alt) wurde in den Niederlanden gefunden. Ägyptischen Tontafeln und Ornamenten auf Gefäßen zufolge fuhren schon vor 6000 Jahren hölzerne Ruderschiffe auf dem Nil, die auch Segel trugen. Vor etwa 5000 Jahren unternahmen die Ägypter Seereisen nach Kreta und Phönizien, später auch auf dem Roten Meer und entlang der Ostküste Afrikas. Auch die anderen Mittelmeervölker wandten sich der Schifffahrt zu, in erster Linie, um Handel zu treiben, aber auch zu kriegerischen Zwecken.
 
Im Laufe der Zeit verbesserten sich die konstruktiven Merkmale des Schiffsrumpfes und der Takelage, das heißt der Vorrichtungen zum Tragen und zur Handhabung der Segel. Die frühen ägyptischen Papyrusboote waren nicht seetauglich, da sie keine Längsverstärkung besaßen, die späteren, bei denen diese Verstärkung in einem über das Schiff gespannten Seil bestand, nur bedingt. Ein rechteckiges Segel, das Rahsegel, war quer zum Schiff angebracht, anfangs fest im rechten Winkel, später auch drehbar. Zur Steuerung des Schiffs dienten zwei beiderseits des Hecks angebrachte Ruder.
 
Die Handelssegler der Phönizier und Römer (ab 1200 v. Chr.) bedeuteten hinsichtlich der Konstruktion einen großen Fortschritt, denn der Schiffsrumpf war robuster, rundlicher und geräumiger, sie wurden aber noch immer durch Seitenruder gesteuert. Diese Rundschifflaster waren 20 bis 30 Meter lang, besaßen einen Kiel zur Längsstabilisierung sowie kräftige Querbalken.
 
Die Kriegsschiffe hingegen waren eher schlank gebaut und wurden meist gerudert. Zu dem großen, quer gestellten Rechtecksegel der Frachtsegler, das bis zu 50 Quadratmeter groß war, kam um 300 v. Chr. ein dreieckiges Segel hinzu, welches in Längsrichtung des Schiffes aufgespannt war, das Lateinsegel. Dadurch war man weniger vom Rückenwind abhängig. In anderen Teilen der Welt entwickelten sich unterschiedliche Schiffsformen, so das Wikingerlangschiff und die chinesische Dschunke, beide um etwa 700 n. Chr. Letztere war insofern bemerkenswert, als sie ein um ein Gelenk drehbares Heckruder und somit bessere Manövrierbarkeit sowie eine Querteilung des Schiffskörpers durch wasserdichte Schotten besaß, was dafür sorgte, dass eine Dschunke nicht durch ein einziges Leck zum Sinken gebracht werden konnte. Dschunken besaßen mehrere Segelmasten, schon lange bevor vergleichbare, voll getakelte Schiffe in Europa gebaut wurden. Vom 13. bis zum 15. Jahrhundert gab es in Nordeuropa als Handelsschiff der Hanse die Kogge. Sie war rundlich gebaut, einmastig und besaß — erstmals in Europa — ein einteiliges Heckruder. Im späten 14. Jahrhundert entstanden an den europäischen Atlantikküsten die ersten Karavellen, Dreimaster mit einer bis dahin unerreichten Wendigkeit und Geschwindigkeit. Mit Karavellen und den ähnlich gebauten, aber größeren Karacken gelangten Entdecker und Händler in die entlegensten Winkel der Welt.
 
Bis zum 19. Jahrhundert, der Blütezeit der Segelschifffahrt, ergaben sich am prinzipiellen Aufbau dieses Schiffstyps keine Änderungen mehr, die Schiffe und ihre Segelfläche wurden nur immer größer. Die Klipper genannten Schnellsegler dieser Zeit hatten bis zu fünf Masten mit 3000 Quadratmetern Gesamtsegelfläche und waren etwa 70 Meter lang. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts bekam das Segelschiff Konkurrenz durch das Dampfschiff, dessen entscheidender Vorteil die Windunabhängkeit war, da es seine Antriebsenergie von einer kohlegefeuerten Dampfmaschine erhielt. Die Schaufelraddampfer der Anfangszeit wurden nach dem Aufkommen des effizienteren Propellerantriebs im Jahr 1836 durch schraubengetriebene Schiffe ersetzt. Sechzig Jahre später wiederum bekam die Kombination Dampfmaschine —Propeller Konkurrenz durch den Turbinenantrieb. Die ersten Schiffsdampfmaschinen waren noch auf Holzschiffen installiert. Doch schon bald stellte sich heraus, dass dieses Baumaterial zu wenig stabil für die schweren Aggregate und die ausgeübten Kräfte war. Daher ging man dazu über, die Schiffe aus Eisen, später aus Stahl herzustellen.
 
So wie die Dampfschiffe die Segler verdrängten, wurden diese wiederum in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch dieselbetriebene Schiffe abgelöst, deren Antriebsmaschinen kompakter waren und einen höheren Wirkungsgrad besaßen. Dieselöl bietet zudem hinsichtlich des Brennwerts und der Handhabung im Vergleich zur Kohle deutliche Vorzüge. In den 1960er- und 1970er-Jahren experimentierte man auch mit von atomaren Druckwasserreaktoren angetriebenen Schiffen. Bis auf einige Unterseeboote, Flugzeugträger und Eisbrecher sind jedoch heute aus Gründen des Unfallrisikos keine Atomschiffe mehr in Betrieb.
 
Segelschiffe und Schaufelraddampfer haben sich nur in relativ kleinen Marktnischen wie dem Freizeitbereich halten können. In den wirtschaftlich bedeutendsten Schiffseinsatzbereichen, dem Gütertransport in Binnen- und Seeschifffahrt, dominieren dieselbetriebene Schiffe mit Schraubenantrieb.
 
Dr. Kurt Möser
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Binnenschifffahrt: Auf Kanälen, Flüssen und Seen
 
Seeschifffahrt: Güterverkehr, Personenverkehr, Fischerei
 
 
Cucari, Attilio / Manti, Gaetano: Das Bilderlexikon der Schiffe. Vom Einbaum zum Ozeanriesen, bearbeitet von Hans Peter Jürgens. Aus dem Italienischen. München 1979.
 
Das große Buch der Schiffstypen. Schiffe, Boote, Flöße unter Riemen und Segel, Dampfschiffe, Motorschiffe, Meerestechnik, Beiträge von Alfred Dudszus u. a. Lizenzausgabe Stuttgart 1998.
 Kludas, Arnold: Die großen Passagier-Schiffe der Welt. Illustriertes Schiffsregister. Hamburg 41997.
 Marshall, Chris: Die große Enzyklopädie der Schiffe. Technische Daten und Geschichte von über 1200 Schiffen. Aus dem Englischen. Erlangen 1995.
 
Nauticus. Schiffahrt, Schiffbau, Marine, Meeresforschung. Herford u. a. 1923-91. 1899-1914 unter dem Titel Jahrbuch für Deutschlands Seeinteressen.
 Schnake, Reinhard H.: Geschichte der Schleppschiffahrt. 3 Bände. Herford 1-21990-95.
 Westphal, Gerhard: Lexikon der Schiffahrt. Über 3000 Begriffe von Aalregatta bis Zwischendeck aus Handelsschiffahrt und Segelsport. Reinbek bei Hamburg 1981.

Universal-Lexikon. 2012.

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